Podiumsdiskussion „Expanding Narratives! Wie frei sind Sinti* und Roma* in der Kunst heute?“
Ich hatte die Ehre im Dezember 2023 eine Podiumsdiskussion in der Kunsthalle Mannheim zu moderieren. Im Mittelpunkt stand die Frage danach, wie frei Künstler*innen aus der Sinti*-und-Roma*-Community in der Kunst heute sind.
2007 wurde auf der Biennale in Venedig, der ältesten und einer der berühmtesten internationalen Kunstausstellungen weltweit, erstmalig die Kunst von Roma* in einem eigenen Pavillon unter dem Titel „Paradise Lost“ (Verlorenes Paradies) ausgestellt – ein erster Meilenstein. 16 zeitgenössische Künstler*innen der größten ethnischen Minderheit Europas transformierten, dekonstruierten und widerlegten existierende Stereotype gegenüber Roma*. In ihren Kunstwerken reflektierten sie politische und soziale Themen, beispielsweise den „vergessenen Holocaust“ an den 500.000 Sinti* und Roma* während der Zeit des Nationalsozialismus. Darüber hinaus wurden Kunstwerke ausgestellt, die sich explizit nicht mehr vorrangig mit Herkunft, Ethnizität oder Rassismus auseinandersetzten, sondern die sich frei von Zuschreibungen im Feld der zeitgenössischen Kunst bewegten.
2022 stellte die Künstlerin Małgorzata Mirga-Tas auf der 59. Biennale in Venedig ihr Projekt „Re-enchanting the World“ (Die Welt wieder verzaubern) im Polnischen Pavillon aus. Als Polin vertrat sie nicht nur ihr Heimatland, sondern auch die Sinti* und Roma* in Europa. Mit ihrer Arbeit präsentierte Mirga-Tas ein vorurteilsfreies Bild der Sinti* und Roma* und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Frauen, die in unserer gemeinsamen Geschichte eine wichtige Rolle gespielt haben. Ein weiterer wichtiger Meilenstein.
Vor diesem Hintergrund diskutiert das Podium die Frage, wie frei Sinti* und Roma*-Künstler*innen heute mit ihrer ethnischen Identität im Kunstfeld umgehen können. Wann wird ihr künstlerisches Schaffen als Teil der zeitgenössischen Kunst wahrgenommen und nicht als sogenannte „Folklorekunst“ abgetan? Wann wird ihnen ein fester Platz in der internationalen Kunstszene zugestanden? Ab wann können Künstler*innen mit Sinti* und Roma*-Hintergrund frei entscheiden, ob sie zu ihrer Identität arbeiten wollen oder nicht?
Diese Podiumsdiskussion will Künstler*innen nicht auf ihre ethnische Identität reduzieren, sondern möchte den Fokus auf ihr künstlerisches Schaffen richten. Während sich Małgorzata Mirga-Tas in ihrer Kunst vor allem mit antiziganistischen Stereotypen und der Entwicklung von affirmativen, weiblich geprägten Narrativen auseinandersetzt, befassen sich Carmen Baltzar und David Weiss sowohl mit feministischen Diskursen als auch mit Kapitalismuskritik, Ökologie und Umweltschutz.
Das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma lädt gemeinsam mit dem Zentrum für internationale Kulturelle Bildung am Goethe-Institut Mannheim und der Kunsthalle Mannheim ein, diesen und weiteren Aspekten in der Podiumsdiskussion nachzugehen. Im Anschluss an das Gespräch sind alle herzlich eingeladen, bei Snacks und Getränken mit den Podiumsgästen ins Gespräch zu kommen. Eine interaktive Station bietet allen Gästen die Möglichkeit, ihr eigenes Statement abzugeben.