„Erinnern heißt kämpfen“ – Über Allianzen, Differenzen und Konkurrenzen
Im Rahmen einer digitalen Podiumsdiskussion des Spiegelbild e.V. habe ich am 01. Februar 2022 gemeinsam mit Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, und Ronen Steinke, Autor und Redakteur der Süddeutschen Zeitung, über die deutsche Erinnerungskultur diskutiert.
Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann auch im Nachgang angeschaut werden.
Erinnerungskultur in Deutschland ist vielfältig und ein Zeugnis jahrzehntelanger zivilgesellschaftlicher Kämpfe. Diese Kämpfe werden seit dem Bestehen der Bundesrepublik von kollektiver Schuldabwehr und geschichtsrelativierenden Angriffen begleitet. Geschichtsrelativierungen zeigten sich in der Vergangenheit in vielerlei Gestalt und reichen von verschwörungsideologischen Vorwürfen, Juden würden aus dem Holocaust Profit schlagen, über ahistorische Vergleiche zwischen nationalsozialistischen mit sowjetischen Verbrechen, bis hin zu postkolonialer Theorie und Aktivismus, die immer wieder spezifische Erkenntnisse aus der Holocaust- und Antisemitismusforschung verwirft. Letzteres offenbart sich beispielsweise in der Behauptung, die These der Präzendenzlosigkeit der Shoah stünde einer Aufarbeitung der Kolonialverbrechen im Wege.
Gleichzeitig ist auch die Erinnerungsarbeit selbst von instrumentellen und ideologischen Momenten durchzogen, insbesondere wenn sie staatstragend wird: Während man sich auf Regierungsebene dem Ausland gegenüber als wiedergutgewordener „Erinnerungsweltmeister” inszeniert, verweigert man sich häufig einer substantiellen Auseinandersetzung mit nationalsozialistischen, aber eben auch kolonialen Verbrechen.
Vor diesem Hintergrund möchten wir folgende Fragen diskutieren:
- Wer erinnert in Deutschland an wen und warum? Wessen Perspektiven werden verdrängt oder ignoriert?
- Wie können erinnerungspolitische Allianzen in einer postkolonialen und postnazistischen Gesellschaft aussehen?
- Welche theoretischen und politischen Differenzen treten in den aktuellen Debatten zu Tage, die unter den Stichworten “Historikerstreit 2.0” und “multidirektionale Erinnerung” diskutiert werden?